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Geschichte123 rauschende Ballnächte
Johann Strauss hat bitterlich geweint, heißt es: zum Concordia Ball 1864 hatte er seinen frisch komponierten „Morgenblätter“-Walzer mitgebracht – und musste erleben, dass sein Konkurrent Jacques Offenbach mit einem ebenfalls extra komponierten „Abendblätter“-Walzer den weitaus größeren Applaus erntete. Das tat doppelt weh, weil der Concordia Ball nach seiner rauschenden Premiere am 19. Jänner 1863 auf dem besten Wege war, zum Höhepunkt der Wiener Ballsaison zu werden. „Krone der Elitebälle“ nannte ihn die Morgenpost, und Heinrich Pollak vermerkte, dass „die Einen kamen, um zu sehen, die Anderen um gesehen zu werden.“ Seite an Seite tanzten Minister und Diplomaten, Künstler und Intellektuelle, Theaterstars und Zeitungsmacher. Kronprinz Rudolf war Stammgast. Wiens Musikerelite steuerte eigens komponierte Tanzmusik bei: die Brüder Strauss, Lehár, Millöcker, Franz von Suppé und Carl Michael Ziehrer.
Das Ende der Monarchie hat dieser legendäre Ball noch überlebt, aber mit Österreichs Freiheit ging auch er unter: im Ständestaat fand er nicht mehr statt, nach dem "Anschluss" 1938 wurde die Concordia aufgelöst – und nach der Befreiung vergingen weitere eineinhalb Jahrzehnte ohne Concordia Ball. 1960 fand Concordia-Präsident Rudolf Kalmar dann im Wiener Vizebürgermeister Hans Mandl einen tatkräftigen Unterstützer, im prachtvollen Festsaal des Wiener Rathauses einen neuen Schauplatz und im Umfeld der Wiener Festwochen einen idealen Termin abseits der an Bällen überreichen Faschingszeit. Der Concordia Ball erlebte als Wiens größter, schönster Sommerball eine erstaunliche Wiederauferstehung. Getanzt wird im Festsaal und unter den romantischen Arkaden. Das Wiener Stadtgartenamt sorgt für Blumenschmuck, der so gut ankommt, dass 1969 die p.t. Gäste ersucht wurden, „wenigstens die Blumentöpfe stehenzulassen“. Und wieder kam man, um zu sehen und gesehen zu werden: der Volksschauspieler Heinz Conrads ritt auf einem Pappmaché-Pegasus zu einer Mitternachtseinlage in den Ballsaal. Der Dichter Ernst Jandl ließ sich zur Teilnahme an einer Büchertombola überreden – „vorausgesetzt, dass ich nicht tanzen muss“. Und Bundeskanzler Kreisky, 1974 Gast in der Ehrenloge, quittierte die Bitte von Tanzmeister Willy Fränzl, den Ball zu eröffnen, mit der trockenen Frage: „Und was machen's, wenn ich nein sag?“ Der 123. Concordia Ball 2021 trägt das Motto „Morgen Blätter Walzer“. Denn während Offenbachs „Abendblätter“ bald nach der Premiere in Vergessenheit gerieten, wurde der Morgenblätter-Walzer von Johann Strauss zum vielgeliebten Evergreen. Der Maestro hätte das wohl tröstlich gefunden.
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